Industrie 4.0 verlangt stabile Infrastruktur

Besondere Anforderungen an Industrie-USV-Anlagen

Eine unterbrechungsfreie Stromversorgung war schon bisher für viele industrielle Einsatzfälle unerlässlich. Mit der zunehmenden Akzeptanz von Industrie 4.0-Konzepten, wird der Bedarf nach einer zuverlässigen Stromversorgung für alle Aspekte rund um die Produktion nochmals zunehmen. Wichtig ist, dass die USV ihre Standardaufgabe beherrscht aber auch die spezifischen Anforderungen einer Industrieumgebung bewältigt.

Sicherheit ist sowohl in der klassischen IT als auch in Produktionsumgebungen wichtig, doch der Fokus liegt auf unterschiedlichen Aspekten. Während IT-Umgebungen ihre Maßnahmen weitgehend ausgewogen zwischen Vertraulichkeit, Inte-grität und Verfügbarkeit aufteilen, ist die Verfügbarkeit in der Produktion das höchste Gut. Praktisch alle Maßnahmen haben nur das Ziel, sicherzustellen, dass die Produktionsanlagen kontinuierlich funktionieren. Bislang wurde die Spannungsversorgung vor allem an den Elementen sichergestellt, die unmittelbar mit dem Werkstück in Berührung kamen, beispielsweise den Sensoren einer CNC-Fräse. So war es möglich, bei einem Ausfall Positionsdaten von Werkstück und Fräsköpfen und Informationen zum eingesetzten Fräskopf zu erhalten. Damit konnte nach der Rückkehr der Spannungsversorgung weitgehend nahtlos mit der Produktion fortgefahren werden. Wenn die Notwendigkeit bestand, wurde auch die ganze Anlage samt aller Aktoren mit Notstrom versorgt, um den kompletten Produktionszyklus abzuschließen.

Noch mehr Sicherheit gefragt

Durch Industrie 4.0 wird der Umfang der Absicherung in der nächsten Zeit deutlich anwachsen. Das Mega-Projekt Industrie 4.0 vernetzt Komponenten in Produktionsumgebungen und versieht sie mit eigener Intelligenz. Fortan werden erheblich mehr Geräte, die an einem Produktionsvorgang beteiligt sind, Daten darüber erfassen, sammeln und an eine höher gelegene Instanz weitergeben. Das bedeutet aber auch, dass diese Daten geschützt und im Fall eines Spannungsausfalls gepuffert werden müssen.

Im Prinzip unterscheidet sich diese Aufgabe bei Industrieumgebungen nicht von denen bei klassischen IT-Einsätzen, wie beispielsweise in einem Serverraum oder Rechenzentrum. Allerdings sind industriell genutzte USV-Anlagen völlig anderen Umgebungsbedingungen ausgesetzt und müssen, durch die erheblich geringere Standardisierung in der Industrie, viel flexibler auf die unterschiedlichen Einsatzbereiche adaptierbar sein.

Grundfunktionen einer USV

Die Grundfunktion – eine saubere Ausgangsspannung bereitzustellen – haben zunächst alle USV-Anlagen gemeinsam. Wie die USV dieses Ziel erreicht, kann technisch auf unterschiedlich aufwändige Arten erreicht werden. In der Vergangenheit wurden unterbrechungsfreie Strom­versorgungen als Online- oder Offline-Systeme bezeichnet, sowie einer ganzen Palette von Hybridkonzepten zugeordnet, die sich an einem der beiden Hauptverfahren anlehnten. Seit 2003 macht die IEC-Norm 62040-3 Schluss mit dem Begriffswirrwarr. Ein Code nach dem Muster XXX-YY-123 gibt detailliert über die Art und Eigenschaften der USV Auskunft. Im professionellen Bereich sind vor allem USV-Anlagen der Klasse VFI verbreitet. Sie stellt die höchste Anforderung dar und verlangt, dass die Ausgangsspannung unabhängig von Schwankungen der Eingangsspannung und -Frequenz bleibt. Das entspricht in etwa dem, was früher als Doppelwandler oder Online-USV bezeichnet worden wäre. Die Notwendigkeit, im industriellen Bereich eine VFI-USV einzusetzen, rührt von mehreren Bedingungen her. So ist die Netzspannung oft mit hohen Störspannungen verunreinigt und das Schalten großer elektrischer Verbraucher, wie Schütze, Pumpen oder Motoren, sorgt für Lastspitzen und Spannungseinbrüche. Eine USV, die die Spannung am Ausgang nicht komplett synthetisch erzeugt, würde solche Unreinheiten an die angeschlossenen Verbraucher weitergeben. Auch die USV selbst ist diesen Störungen ausgesetzt. Die Beständigkeit gegen Störeinflüsse, sowohl leitungsgebundene als auch abgestrahlte Störwerte, muss also im industriellen Umfeld deutlich höher sein als in einer normalen IT-Umgebung. Zudem muss die USV so schnell wie möglich auf hohe Anlaufströme oder ähnliche dynamische Lastsituationen reagieren können. Vor allem bei Frequenz-umrichtern weisen die Lastströme häufig deutliche Abweichungen von der Sinuskurve auf. Die USV-Anlage muss auch diese abweichenden Lasten versorgen können. Das kann durch ein entsprechendes Design der Wechselrichter oder den zusätzlichen Einbau von Stromfiltern erreicht werden.

Leistungsfaktor der Last beachten

Je schneller die USV-Anlage auf Überspannungen reagiert, desto besser. Generell haben bei der Reaktionsgeschwindigkeit USV-Systeme ohne ausgangsseitigen Transformator die Nase vorn. Sie müssen nicht die Trägheit der induktiven Last des Transformators überwinden und können Laständerungen daher mit sehr geringer Verzögerung ausregulieren. Darüber hinaus ist der Leistungsfaktor wichtig, beziehungsweise die Reaktion der USV auf den Leistungsfaktor der Last. Je nach voraus- oder nacheilendem Leistungsfaktor liefern USV-Anlagen mit Ausgangstransformator nicht die volle spezifizierte Leistung. Bei einem Leistungsfaktor von 0,8 nacheilend sind oft nur noch 60% Nennleistung verfügbar, die volle Abgabeleistung steht ausschließlich bei einem Leistungsfaktor von 1 zur Verfügung. Transformatorlose USV-Anlagen sind in dieser Hinsicht toleranter und liefern auch bei nacheilenden Leistungsfaktoren die volle Nennlast.

In einer industriellen Umgebung müssen sich USV-Anlagen an die räumlichen Vorgaben und die Ansprüche der Last anpassen. Während die Aktoren einer Maschine normalerweise mit 230 V oder 400 V Drehstrom betrieben werden, laufen die Steuerungen häufig mit 24 V Gleichstrom. Für die 24 V Versorgung sind eigene USVs, speziell zum Einsatz auf einer Hutschiene verfügbar. Sie besitzen meist externe Akkusätze, weil der geringe Platz keine eingebauten Energiespeicher zulässt. Je nach Konzept des Anwenders kann auch die Spannungsversorgung vor der Niederspannungsseite abgesichert werden, dann wird die USV in einen Standard-Schaltschrank eingebaut und liefert am Ausgang ein-oder dreiphasige Netzspannung. Bei solchen Einsatzszenarien, müssen die USV und ihr Gehäuse auch mechanisch den Vorgaben der Industrieumgebung entsprechen. Oft ist Schutzart IP54 notwendig, um die Elektronik vor Spritzwasser und Schmutz zu schützen. Wenn dabei auch noch aggressive Flüssigkeiten zum Einsatz kommen, ist ein säurebeständiges Material wie Edelstahl notwendig. Und Systemintegratoren fordern zudem, dass Optik und Aufbau des Gehäuses an die eigenen Produkte angeglichen wird.

Temperatur als entscheidender Faktor

Selbst wenn Schaltschränke oft belüftet sind, herrschen dort doch andere Temperaturen, als die normalerweise in der IT üblichen 20 °C. Das hat gerade für die Elektronik der USV-Anlage und besonders für die Akkusätze weitreichende Folgen. Während sich die USV selbst durch die Verwendung höher spezifizierter Bauelemente für extreme Temperaturen ausrüsten lässt, sind Standard-Akkus dafür ungeeignet. Die garantierte Lebensdauer wird normalerweise bei einer Regeltemperatur von 20 °C angegeben, Abweichungen nach oben verkürzen die Zeit bis zum Austausch drastisch. Wichtig ist daher, dass der USV-Hersteller auch andere Energiespeicher nutzen kann. So sind Batterien mit erweitertem Temperaturbereich (beispielsweise Cyclon-Zellen) erhältlich, die eine dreimal längere Lebensdauer von bis zu 15 Jahren und eine hohe Toleranz gegenüber Temperaturschwankungen zwischen -30 °C und +65 °C aufweisen.

Solche Cyclon-Zellen sind deutlich teurer als Standard-Blei-Akkus, bieten aber gerade in Umgebungen, in denen Stillstandszeiten für Wartungen auf ein absolutes Minimum reduziert werden müssen, Vorteile. Sie sind auch durch den niedrigen Innenwiderstand in der Lage, schnell sehr hohe Ströme abzugeben, perfekte Voraussetzungen, wenn eine USV kurzzeitig Lastspitzen abfangen muss.

Besonderheit: Rückspeisung

Eine der Besonderheiten einer industriellen Einsatzumgebung ist, dass die Last von einem Moment zum anderen wie ein Generator agieren kann. Wenn bei einem Stromausfall Prozesse geregelt zu Ende geführt werden sollen, beispielsweise um Werkzeug und Werkstück definiert voneinander zu trennen, kann es zu rückfließender Energie kommen. Zurückfließende Energie entsteht beim Abbremsen der Maschine, wenn Motoren in den Generatorbetrieb gehen. Diese Energie fließt in den Stromkreislauf zurück und wirkt der Funktion der USV entgegen. Wenn die Energie zu hoch ist und über einen langen Zeitraum fließt, besteht sogar die Gefahr eines Defektes im Wechselrichter und im Gleichrichterzwischenkreis. Darum müssen USV-Anlagen, deren Last möglicherweise Strom rückspeisen könnte, über spezielle Rückspeiseeinheiten verfügen. Im Normalfall, wenn dieser Fall selten vorkommt, wird die Energie einfach in Wärme umgewandelt. Falls häufig rückgespeiste Energie anfällt, gibt es auch Systeme, die den Strom in das öffentliche Netz einspeisen können.

Ein Industrieumfeld stellt nicht nur im Hinblick auf die Hardware besondere Ansprüche an eine USV-Anlage. Auch für die Kommunikation der Anlage mit dem Administrator und mit den zu schützenden Geräten gibt es abweichende Protokolle und Medien. Ein Ethernet-Port ist meist als Standard zur Kommunikation vorgesehen, doch ein normales Netzwerk verträgt die mit elektrischen Störimpulsen belastete Industrieumgebung nur schlecht. Industrial Ethernet oder Profibus sind alternativ bei der Vernetzung von Produktionssystemen weit verbreitet, im Idealfall kann die USV über Einschubmodule auch solche abweichenden Stecker, Medien und Protokolle bedienen. Die früher übliche RS-232-Schnittstelle ist ebenfalls anfällig gegen Störsignale, sodass für serielle Kommunikation auf USB oder, noch sicherer, RS-485 ausgewichen wird. Häufig verlangen die Anlagenbauer auch potentialfreie Schaltkontakte, um die wichtigsten Statusmeldungen der USV-Anlage per Warnlampe anzuzeigen oder darüber weitere Aktionen auszulösen.

Das Fazit: Ideal sind perfekt angepasste Standardlösungen

Für USV-Anlagen sind Industrieumgebungen alles andere als das perfekte Umfeld. Physikalische Faktoren wie Schmutz, Temperatur, Feuchtigkeit und Vibrationen müssen durch ein entsprechend robustes und langlebiges Systemdesign abgewehrt werden. So sollte die USV alternative Energiespeicher mit erweiterten Temperaturbereichen und hoher Leistungsdichte nutzen können. Auch schädliche elektrische Parameter wie eingekoppelte Störspannungen, Lastspitzen sowie rückgespeiste Energie machen den Garanten der kontinuierlichen Strom­versorgung das Leben schwer. Eine Standard-USV, wie sie auch im Rechenzentrum eingesetzt werden kann, ist in so einer Umgebung fehl am Platz. Hoch individualisierte Sonderbauten sind aber aus Kostengründen ebenfalls nicht sinnvoll. Wichtig ist, dass der Hersteller die Anforderungen der Umgebung genau versteht und seine USV-Anlage ohne große Umbauten perfekt an die Anforderungen des Kunden anpassen kann. So entsteht eine kosteneffiziente und trotzdem technisch solide USV-Anlage für den Industrieeinsatz.

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